Was tun, wenn die Krankenversicherung die Kosten für eine Hormonbestimmung aus Speichel nicht übernehmen will?
Wir empfehlen gegenüber der Versicherung dann eine Argumentation zu vertreten, die nachfolgend beschrieben wird:
Dieses Problem betrifft rein formell die Frage, inwiefern es sich um eine erstattungsfähige vertragliche ärztliche Leistung handelt. Wir gehen davon aus, dass die strittige Hormonanalyse im Speichel durch den behandelnden Arzt auf einem Überweisungsschein angefordert wurde und die Analyse von einem Facharzt für Laboratoriumsmedizin fachgerecht durchgeführt wurde. In diesem Falle greift für privat versicherte Patienten die GOÄ (Gebührenordung für Ärzte) und zwar eine der nachfolgend aufgeführten Ziffern aus dem Kapitel M III. 14
4020 | Cortisol | 16,76 € | 4027 | Östriol | 16,76 € |
4035 | 17OH-Progesteron | 23,46 € | 4036 | Androstendion | 23,46 € |
4037 | DHEA | 23,46 € | 4039 | Östradiol | 23,46 € |
4040 | Progesteron | 23,46 € | 4042 | Testosteron | 23,46 € |
Die Beträge in Euro sind die höchstzulässigen Analysenkosten (Faktor 1,15), die von privaten Krankenkassen übernommen werden. Der exakte Wortlaut der GOÄ ist nachzulesen unter
http://www.e-bis.de/goae/Goae00000085.html
Im Text der GOÄ heißt es im Kapitel 14 zu den o.g. Abrechnungsziffern wörtlich: „Hormonbestimmung mittels Ligandenassay einschließlich Doppelbestimmung und aktueller Bezugskurve“. Genau das ist die von uns empfohlene Testmethode. Nirgendwo in der GOÄ steht etwas davon, dass dies nur für Bestimmungen aus Blutserum gilt. Daher besteht für die Krankenversicherung eigentlich gar kein Spielraum. Die Hormonbestimmung auch aus Speichel wird von der GOÄ gedeckt und ist damit eine vertragliche Leistung, zu der die Versicherung verpflichtet ist. Im Zweifelsfalle würden wir den Mitgliedern der privaten Krankenkassen dazu raten, diese vertragliche Leistung notfalls auch mit juristischen Mitteln einzufordern.
Im Grunde müssten die privaten Versicherungen froh darüber sein, dass ihr Versicherungsmitglied sich im Gespräch mit dem überweisenden Arzt für die Speichelanalyse entschieden hat und gegen eine entsprechende Untersuchung im Blutserum. Die Hormonbestimmung in Speichelproben ist einer solchen aus Blutserum in jeder Beziehung weit überlegen. Das werden wir nachfolgend im Detail darlegen. Diese Ausführungen werden nachfolgend mit wissenschaftlichen Publikationen aus namhaften Fachzeitschriften belegt, die in einer Literaturliste im Anhang als Zitat beigefügt sind. Auf Wunsch sind die Originalarbeiten als PDF-Dateien bei Demeditec verfügbar. Wir werden nachfolgend unseren Standpunkt vorrangig am Beispiel der Testosteron- und der Cortisolbestimmung darlegen (GOÄ-Ziffer 4042 und 4020), da hier die Vorteile der Speichelbestimmung am überzeugendsten dokumentiert sind. Beide Hormone gehören zu den Steroiden und können wohl als die am häufigsten angeforderten Analyten dieser Hormonklasse bezeichnet werden. Für die anderen oben als GOÄ-Ziffern genannten Hormone gilt aber grundsätzlich das Gleiche.
1. Qualität der Testosteronbestimmung im Blutserum: In 2003 erschien im Journal of Clinical Chemistry (die weltweit wichtigste Zeitschrift für analytische Chemie) eine Publikation einer französischen Arbeitsgruppe um Taieb et al über einen Vergleich aller gängigen kommerziellen Testmethoden für das Serum-Testosteron mit einer Referenzmethode (Lit. 1). Das Resultat dieser Studie war, dass es keine kommerzielle Testmethode gibt, die in ausreichender Qualität das Testosteron bei Frauen oder Kindern bestimmen kann. Man hat in dieser vielbeachteten Studie Abweichungen von der Referenzmethode gefunden, die bis zu 500% betragen. Diese katastrophalen Ergebnisse haben den Herausgeber dieser renommierten Zeitschrift zu einem sarkastischen Kommentar veranlasst (Lit.2).
Im Jahre 2007 erschien dann von Rosner et al ein offizielles “Position Statement“ der US Fachgesellschaft für Endokrinologie (Lit.3), dass man die kommerziellen Testmethoden nicht mehr verwenden sollte zur Bestimmung des Testosterons bei Frauen und Kindern. Diese US-Gesellschaft ist die höchste wissenschaftliche Autorität auf dem Gebiet der Endokrinologie.
2.Grundsätzliche physiologische Probleme bei der Bestimmung von Steroidhormonen: Die zuverlässige Bestimmung der Steroide aus einzelnen Blutproben setzt voraus, dass die Konzentration praktisch konstant ist (zumindest über einige Stunden). Leider ist das nicht der Fall, wie bereits in 1973 von West et al in der international hochangesehenen Zeitschrift Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism (JCEM) publiziert wurde (Lit.4). Dort kann man sehr gut sehen, dass die Sekretion aller Steroidhormone im Blut ein ausgeprägtes episodisches Muster zeigt (Abb. S. 1234 in dieser Zeitschrift). Daraus muß man folgern, dass eine Einzelbestimmung immer Zufallsergebnisse bringt. Das lässt sich auch mit der ausgefeiltesten Analytik nicht kompensieren. Hier hilft nur eine mehrfache Probennahme, so wie es in der Speichelanalytik routinemäßig durchgeführt wird. Hier werden immer 5 Proben innerhalb eines Zeitraumes von mindestens 2 Stunden genommen. Das Labor mischt dann gleiche Volumina aller 5 Proben und bestimmt davon einen Mittelwert aus dieser Mischung. Dieser Messwert ist dann auch in der Tat sehr gut reproduzierbar. Das kann eine Bestimmung im Blutserum in der Routine sicherlich nicht leisten.
Bei der Steroidbestimmung aus Blutserum kommt noch erschwerend hinzu, dass man zumindest auch noch das Bindungsprotein (SHBG, CBG etc) parallel mitbestimmen müßte, um überhaupt eine halbwegs relevante Aussage machen zu können. Dies verteuert die Analytik ganz erheblich. Im Speichel ist dies nicht erforderlich. Das kennt man in der Medizin seit Jahrzehnten bereits aus der Diagnostik der Schilddrüsenhormone, bei der man das TBG mitmessen muß, wenn man die Gesamtkonzentration der T3 oder des T4 bestimmt (s. nächster Absatz). In der Schilddrüsendiagnostik hat sich die Bestimmung der freien Hormone bereits seit Jahrzehnten durchgesetzt, was vor allem deshalb relativ schnell ging, weil man diese freien Hormone im Blutserum nachweist. Dies ist aber bei den Steroidhormonen nicht (mit Routineverfahren) möglich. Die freien Steroidhormone lassen sich (mit Routinemethoden) lediglich im Speichel erfassen.
3.Physiologische Vorteile der Steroid-Bestimmung in Speichelproben: Im Blutserum bestimmt man grundsätzlich (in der Routine) die Gesamtkonzentration der Hormone. Diese bestehen zu mehr als 95% aus gebundenem und damit inaktivem Hormon. Lediglich der kleine Anteil von 2-4% besteht aus dem freien Hormon; aber ausschließlich diese freie Hormonfraktion ist zuständig für die physiologische Wirksamkeit des Hormons. Das verhält sich hier bei den Steroidhormonen nicht anders als bei den Schilddrüsenhormonen, bei der sich die Bestimmung der freien Hormone (fT3 und fT4) auf breiter Front bereits vor mehr als 20 Jahren durchgesetzt hat. Die freien Steroidhormone kann man mit kommerziellen Methoden nicht zuverlässig (oder gar nicht) im Blutserum messen. Aber diese freie Hormonfraktion steht im Gleichgewicht mit den Speichelhormonen. Daher ist die Steroidmessung im Speichel ein sehr gutes Maß für die freie Fraktion im Blutserum. Dies wurde für das Cortisol überzeugend von Vining 1983 dargestellt (Lit.5).
4.Publikationen zur Überlegenheit der Speicheltestung: Im Jahre 1989 hat Osredkar eine Studie veröffentlicht (Lit.6), in der er darstellt, dass der am besten geeignete Labortest für den Nachweis des Hirsutismus bei einer Frau der Speichel-Testosteron ist. Dieser Test zeigt die beste Diskriminierung zwischen gesunden und hirsuten Frauen. Die Publikation von Vining in 1983 zeigt schon im Titel die Überlegenheit der Cortisolbestimmung im Speichel (Lit.7). Eine Publikation von Yasuda aus 2008 (Lit.8) belegt die ausgezeichnete Korrelation des Demeditec Testkits mit der Referenzmethode LC-MS. Der überzeugendste Beweis für die Überlegenheit der Speicheltestung zumindest beim Cortisol dürfte die Publikation von Nieman et al ebenfalls von 2008 sein (Lit.9). In dieser offiziellen Guideline der US-Gesellschaft für Endokrinologie wird u.a. die Bestimmung des Mitternachts-Cortisols im Speichel für die Diagnostik oder den Ausschluß eines Cushing-Syndroms empfohlen, nicht aber die Serum-Bestimmung! Diese Guideline wurde ebenfalls in der bereits erwähnten Zeitschrift JCEM publiziert, wodurch sie geradezu als “unantastbar“ gelten dürfte.
Wie man unschwer erkennen kann, ist an der Überlegenheit der Speicheldiagnostik gegenüber der Serumtestung bei den Steroiden nicht mehr zu zweifeln. Die Bestimmung der oben genannten Steroidhormone im Speichel ist auch in der aktuellen wissenschaftlichen Literatur in steigendem Maße zu finden. Inzwischen ist die Anzahl der diesbezüglichen Publikationen in der internationalen Fachliteratur auf > 300 pro Jahr angestiegen mit weiterhin steigender Tendenz. Daher sollten zukünftig die Speichelbestimmung bei den Steroiden zumindest als gleichwertig zur Serumtestung akzeptiert werden. Tatsächlich ist die Speicheltestung aber weit überlegen.
Literaturliste:
- Authors: Joelle Taieb, Bruno Mathian, Francoise Millot et.al.
Title: Testosterone Measured by 10 Immunoassays and by Isotope-Dilution Gas Chromatography-Mass Spectrometry in Sera from 116 Men, Women, and Children
Published in: Clinical Chemistry 2003 (49:8) pages 1381 – 1250
Summary: None of the immunoassays tested was sufficiently reliable for the investigation of sera with low testosterone concentration as to be seen in women and children, in whom low concentrations are expected (<1,7 nmol/L).
Architect: bias factor 1-3
ACS 180: bias factor 1,5-3
Immuno-1: bias factor 0,8-3
Vidas: bias factor 0,5-2
Immulite 2000: bias factor 1,5-4,5
Vitros Eci: bias factor 0,4-2,5
Auto Delfia: bias factor 0,2-5,0
Elecsys 2010: bias factor 0,2-1,5
RIA Immunotech: bias factor 0,6-3
DPC RIA: bias factor 0,8-2
- Authors: David A. Herold, Robert L.Fitzgerald
Title: Immunoassays for Testosterone in Women: Better than a Guess? (Editorial)
Published in: Clinical Chemistry 2003, Vol. 49 (8), pages 1250 – 1251
Summary: Guessing would be cheaper and more reliable than measuring female or children sera for testosterone by immunoassays like the ones tested by Taieb at al.
- Authors: W. Rosner, R J Auchus, R. Azziz, P M Sluss, H. Raff
Title: POSITION STATEMENT: Utility, Limitations, and Pitfalls in Measuring Testosterone: An Endocrine Society Position Statement
Published in: J Clinical Endocrinology & Metabolism 2007, Vol. 92 (2), 405-413
Summary: Current commercial direct assays are too insensitive and inaccurate to measure the total Testosterone concentration in plasma of women and children. Whether the subtle decrease in plasma T in the aging male is normal or represents hypogonadism will not be answered with the use of almost any (direct) assay. RIAs are unreliable in the lower concentration range, whereas immunoassay after extraction and chromatography or LC/MS-MS appears capable of yielding meaningful data.
- Authors: Charles D. West, Damodar K. Mahajan, Virginia J. Chavré et.al.
Title: Simultaneous Measurement of Multiple Plasma Steroids by Radioimmunoassay Demonstrating Episodic Secretion.
Published in: Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism 1973 (36 No.6) pages 1230 – 1236.
Summary: Plasma steroid levels of Cortisol, Cortisosterone, Testosterone, Progesterone, and 17OH-Progesterone were measured at 20-minutes intervals throughout the day in a normal man and a preovulatory woman using a method with extraction, chromatography and ³H-RIA. When plasma steroid levels were plotted against time, frequent intermittent peaks were observed that were consistent with episodic secretion. Therefore the clinician must exercise caution in the use of a single plasma determination in clinical diagnosis. Multiple sampling is highly recommended also for steroid measurements in serum or plasma.
- Authors: Ross F Vining, Robynne A McGingley, Richard G. Symons
Title: Hormones in Saliva: Mode of Entry and Consequent Implications for Clinical Interpretation
Published in: Clinical Chemistry 1983, Vol 20 (10), pages 1752 - 1756
Summary: The lipid soluble unconjugated steroids (such as Cortisol, Estriol, Testosterone, Progesterone etc) enter saliva predominantly via the intracellular route. Their salivary concentrations are not dependent on saliva flow rate, and their salivary concentrations closely approximate their unbound concentration in plasma. Accordingly, the salivary concentration of these hormones may provide a useful clinical index of their unbound concentration in plasma.
The conjugated steroids, which are essentially lipid insoluble (e.g. DHEA-S and conjugated estrogens), are largely excluded from saliva, although small amounts do enter via the “tight junctions”; their salivary concentrations are dependent on saliva flow rate, and their salivary concentrations are so small as to be readily affected by trace contamination by gingival fluid or plasma. Accordingly their salivary concentration appears unlikely to provide a useful clinical indication of their plasma concentration.
Similarly, the concentration in whole saliva of any compound, such as hCG or T4, for which the plasma/saliva ratio is more than 1000/1, is unlikely to be clinically useful because of the problem of trace contamination by plasma or gingival fluid.
- Authors: Josko Osredkar, Ivan Vrhovec, Niko Jesenovec et.al.
Title: Salivary free testosterone in hirsutism
Published in: Ann. Clin. Biochem. 1989 (26) pages 522 – 526
Summary: Even a single salivary Testosterone result is shown to be of greater diagnostic use in hirsutism than any of the currently used serum androgen assays. 50 females have been tested in this study (all have been referred for hirsutism).
- Authors: Ross F Vining, Robynne A McGingley, Joseph J Maksvytis, Kian Y Ho
Title: Salivary Cortisol: a better measure of adrenal Cortisol function than serum cortisol
Published in: Ann Clin Biochem 1983 (20) pages 329 - 335
Summary: Free salivary Cortisol has been measured by extraction and ³H-RIA, while total and free serum Cortisol has been measured by centrifugal ultrafiltration. The correlation between free salivary and free serum Cortisol was excellent in dynamic tests of adrenal function (dexamethason suppression, ACTH stimulation) in normals and patients with adrenal insufficiency, in tests of circadian variation and randomly collected samples. The relationship between salivary and total serum Cortisol concentration was markedly non-linear with a more rapid increase in salivary concentration once the serum CBG was saturated. The results lead the authors to the suggestion that salivary Cortisol is a more appropriate measure for the clinical assessment of adrenocortical function than total serum Cortisol.
- Authors: M. Yasuda, S. Honma, K. Furuya, T. Yoshii, Y. Kamiyama, S. Horie
Title: Diagnostic significance of salivary testosterone measurements revisited: Using liquid chromatography and enzyme-linked immunosorbent assay.
Published in: Journal of Men’s Health, March 2008, Vol.5, No.1, pages 56-63
Summary: Salivary testosterone measured by LC-MS or ELISA is a non-invasive, reliable substitute for serum calculated free or bioavailable testosterone. The correlation between LC-MS and ELISA for free testosterone in saliva results in a coefficient of r = 0.808. Considering the cost advantage and technical convenience, ELISA for salivary testosterone is now recommended for the purpose of screening the androgen bioavailability level especially in a large population-based study.
- Authors: LK Nieman, BMK Biller, JW Findling, J Newell-Price, VM Montori
Title: The diagnosis of Cushing's syndrome: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline
Published in: J. Clin. Endocrin. & Metabol. 2008, Vol.93, No.5, pages 1526-1540
Summary: The authors are recommending the lab testing for Cushing's syndrome in patients with multipleand progressive features compatible with the syndrome, particularlythose with a high discriminatory value, and patients with adrenalincidentaloma. They are recommending initial use of one test with highdiagnostic accuracy (urinary cortisol, late night salivary cortisol,1 mg overnight or 2 mg 48-h dexamethasone suppression test).
